BHS ORGAN TRIO

Pressetext & Dokumentation:

Sie ist eines der Schwergewichte im Jazz. Nicht nur, weil sie halt so viel wiegt, die Hammond-B3-Orgel. Mehr noch, weil sie in den Sechzigerjahren quasi ein eigenes Genre definiert hat, nämlich das des Groove-Jazz, und gleich auch die dazu passende Standardbesetzung. In die grosse, grossartige Tradition des Orgeltrios im Jazz fügt sich auch diese Gruppe ein: Bei Thomas Bauser (Hammond B3), Franz Hellmüller (Gitarre) und Michi Stulz (Schlagzeug) kommt der Groove Jazz in einer besonders raffiniert und fein gespielten Variante ins Haus, nicht nur stark an Muskeln, sondern auch mit Köpfchen. Bauser-Hellmüller-Stulz spielen Orgeljazz, ja. Aber keinen, der daherorgelt wie eine good ol’ Gemütlichkeit; keinen, in den man sich fläzt wie in einen alten Fauteuil. Wer diese Stücke hört, wird vielmehr auf die Stuhlkante rücken und sich ein wenig nach vorne beugen. Um auch alles im Detail mitzukriegen.

Das deutsch-schweizerische Trio steht mit einem Bein in der Tradition, ja, aber hört man sich seine Stücke an, ist doch klar, dass diese Musik aus dem 21. Jahrhundert kommt. Da begegnet man, zum Beispiel in «Go», einem Abstract Minimal Funk, der ohne die elektronische Clubmusik der letzten 15 Jahre kaum denkbar wäre. Bauser, Hellmüller und Stulz, geboren zwischen 1965 und 1977 und ausgebildet an den Jazzschulen von Bern und Luzern, gehören einer Generation an, die intuitiv gelernt hat, ihre Rhythmen eng zu verklicken, und die virtuos über einen riesigen Fundus aus musikalischem Material verfügt, das nicht am Sampler, aber mit den eigenen Händen am Instrument immer neu montiert wird. Die Aufgabenteilung in der Band ist dabei offen. So hört man in «Go», wie der Puls frei von einem Instrument zum andern fliesst, und wie also plötzlich auch die elektrische Gitarre den Groovejob übernimmt. Die Band als offenes System.

Die Kompositionen von Bauser und Hellmüller sind also keine, die ihre Motive und Themen in den Beton straffer Arrangements giessen. Die Stücke sind durchlässig und von Grund auf verhandelbar. Wenn sie trotzdem krisp und tight daher kommen, so ist dies das Ergebnis eines fabelhaft nachdrücklichen Kollektivspiels, das alle drei Instrumente stets präsent hält. Da gibt es kein solistisches Eifern, während der Rest der Band eben mal ein bisschen im Groove abhängt. Man höre «Déambulation»: Hellmüller eröffnet das Stück mit einem minimalistischen Rock-’n’-Roll-Riff, das von Bauser und Stulz alsbald in einen kubistischen Funk überführt wird, das aber seinen Rockgrip bis zuletzt nicht verliert: Stets ist die Gitarre in der Lage, mit einem scharf gerubbelten Solo schneller zuzuschnappen, als ein alter Mann eine Blue Note-Platte aus der Hülle schnippeln kann.

Damit ist noch nichts gesagt über das melodische Geschick dieser Band. Es entfaltet sich in raumgreifenden Klangtrips und stillen Nocturnes, in denen die Gitarre glitzert wie Sternenstaub, die Orgel sich ballt und wieder verflüchtigt wie ein Astralnebel und das Schlagzeug ruckelt und knistert wie eine allerletzte Mitteilung von der Bodenstation. Hier, in «Nacht» oder «Choral», ist es, als begänne diese Band zu singen: in süchtigen Linien und hymnischen Riten, in schillernden Klangauffächerungen und feinsten Tongespinsten. Aber das ist nie lieblich, nie bloss schön. Da ritzen die tiefen, knurrenden Orgelbässe die Ader der Melancholie, da legt der Blues eine tiefblaue Spur in den Flow der Musik. Bis man in ihrer entrückenden Schönheit auf den Schmerz stösst wie auf eine Goldader im Berg. Man schaut einen Moment darauf, dann gerät der Berg ins Grollen und Rollen. Der nächste Groove ist da.